Das Duo d'Accord, Shao-Yin Huang aus Taiwan und Sebastian Euler, Preisträger des ARD-Wettbewerbs 2000 und erster Preisträger des weltweit renommiertesten Klavierduowettbewerbs „Muray Dranoff“ in den USA, den sie „mit absoluter Überlegenheit“ (Miami Herald) gewannen, geben hier mit Max Reger ihr CD-Debüt.
Das Duo d'Accord im Interview
Als junges Klavierduo geben Sie Ihr CD-Debüt mit Max Reger. Was reizt Sie an dieser Musik?
Sebastian Euler: Uns fasziniert ihr enormer Facettenreichtum und natürlich auch die pianistische wie musikalische Herausforderung. In Regers Musik stehen drängende und äußerst virtuose Passagen neben zärtlichen, zum Teil sehr intimen Abschnitten; trotz der spätromantischen Harmonik gibt es das Prinzip der klassischen Strenge und darüberhinaus viel Witz – wobei alles einer großen Idee dient. Diese Stimmungen sind in vielen Noten verborgen, und es gilt, sie transparent zu machen. Das Schwierigste für den Interpreten ist der Klang: Er sollte lebendig und ungekünstelt sein, und man braucht viel Zeit, um souverän damit umzugehen.Reger hat viele Gesichter. Seinerzeit war er den einen Antipode gegen die als zersetzend gescholtene Moderne, den anderen galt er als Vertreter der modernen Musik. Ist Reger für Sie ein Grenzgänger?
H: Für mich ist Reger einer der letzten Romantiker insbesondere mit Blick auf die Art und Weise, wie seine Musik atmet. Er selbst hat sich nie als Avantgarde empfunden, obwohl er mit seiner Harmonik bestimmte Formen ungewollt gesprengt hat – ähnlich wie Richard Strauss. Aber einer eindeutigen Schublade wird Reger nicht gerecht, er ist ein Einzelfall mit all seinen Stärken und Schwächen.Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den drei Werken, die in einem Zeitraum von fünf Jahren (1901–1906) entstanden sind?
E: Einen roten Faden sehe ich nicht. Es gibt aber grundlegende Charakterzüge, die in seinem Schaffen immer wieder auftauchen, weil er vor allem für sich selbst und seinen Anspruch an das Absolute komponiert hat und es ihm egal war, ob die Leute seine Stücke mochten.Wie lässt sich das Bizarre in den durchweg lebhaften Burlesken gestalten?
H: Für uns waren die Burlesken neben Schuberts A-Dur Rondo das erste vierhändige Projekt, die Feuertaufe sozusagen, denn pianistisch sind sie wirklich ein Prüfstein. Doch das wirklich Schwierige ist, den überdrehten Humor beim Spielen nicht zu verlieren, sonst kann diese Musik ausgesprochen aggressiv und hart wirken. Jede Burleske hat mehrere Elemente, die sich meist abrupt ins Wort fallen; sie sind aber auch für sich genommen oft unvollständig und sehr sprunghaft, und das wirkt eben bizarr. Nach einem unserer Konzerte schrieb ein Kritiker hinterher von „freudianischem Witz“, und das trifft es genau. Man muss hier die genaue Dosierung aller Mittel finden, um diese Kontraste in eine Einheit zu bringen.Mit den Variationen und Fuge über ein Thema von Beethoven op. 86 bezieht sich Reger auf Beethovens Bagatelle B-Dur op. 119, Nr. 11. Wie weit ist Ihnen beim Spielen Beethoven noch präsent?
H: Beethoven ist nach dem Thema rasch verschwunden, das zeigt unter anderem der sofortige Wechsel von B-Dur in eine Kreuztonart an. Besonders in den schnellen Variationen reduziert Reger die Bagatelle auf ein oder zwei Motive, diese bilden die eigentliche Kompositionsbasis. In den langsamen Variationen tritt aber immer Beethovens getragene Stimmung in den Vordergrund, und Reger entwickelt sie zu fantasievollen und wunderschönen Klanggemälden weiter.Sie haben den ernsten Charakter der Sechs Stücke op. 94 betont, die kaum ins öffentliche Bewusstsein gedrungen sind…
H: Die Stücke op. 94 sind für sich zwar nicht übermäßig lang, aber viel ruhiger als etwa die Burlesken, wobei auch sie oft in verschiedene Abschnitte unterteilt sind, dieses Mal allerdings mit logischen Überleitungen. Es ist nicht leicht, diese getragene Spannung über alle sechs Stücke hinweg zu halten, ohne die Tempi zu manipulieren; nur wenn man den strengen Puls einhält, eröffnet sich die wahre Größe des Werkes.Werden Sie sich weiter mit Reger beschäftigen oder markiert diese CD den Schlusspunkt einer Etappe?
H: Diese Aufnahme markiert zweifellos eine wichtige Etappe in unserer Arbeit. Aber wir sind neugierige Menschen, und es gibt noch sehr viel wunderbare Musik in allen Sparten zu entdecken.Das Interview führte Dr. Meret Forster vom Mitteldeutschen Rundfunk.